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IV-Wiedereingliederung mit Case Manager?

Eine IV-Anmeldung ist oft mit langen Wartefristen und nicht selten mit juristischen Streitigkeiten verbunden. Das Interview mit Guido Bürle Andreoli, Case Manager Rechtsdienst Coop Rechtsschutz AG und eidgenössisch diplomierter Sozialversicherungsfachmann zeigt, dass es auch andere Wege gibt.

Viele Personen, die sich in einer IV-Wiedereingliederung befinden, sind von langen Wartefristen und Unsicherheiten betroffen. Inwiefern können Sie als Case Manager eines Rechtsschutzdienstes Betroffenen helfen?

Guido Bürle Andreoli: Betroffene melden sich meist nach einem Entscheid einer kantonalen IV-Stelle bei uns oder wenn sie mitten im Abklärungsprozess stecken. Manchmal haben sie Fragen, wie sie sich am besten verhalten sollen oder sie sind mit einem Entscheid der IV nicht einverstanden und wollen von uns wissen, welche Schritte nun möglich sind. Unsere Abteilung des Case Managements der Coop Rechtsschutz AG kümmert sich vor allem um diese Fälle, die im Bereich der beruflichen Wiedereingliederung liegen. Je nach Ausgangslage werden die Betroffenen zu einem Erstgespräch eingeladen, immer im Hinblick auf eine lösungsorientierte und möglichst schnelle Massnahme, um die persönliche Situation zu verbessern. Damit können wir wie in die ungeklärte Lücke springen, die durch eine Anmeldung bei der IV ergibt. So können wir lange Wartefristen überbrücken, in dem wir schnelle und flexible Lösungen bieten. 

Haben Sie ein Beispiel, das für diese Vorgehensweise spricht? 

Oft handelt es sich um Hilfsarbeiter, bei welchen von der IV im Rahmen der beruflichen Wiedereingliederung keine Kosten für eine berufliche Umschulung übernommen werden. In so einem Fall könnte man mit einem Anwalt zusammen den Entscheid der IV juristisch anfechten. Das ist aber manchmal weniger zielführend, für die Betroffenen sehr belastend und es dauert lange, bis ein Entscheid auf dem Tisch liegt. In so einem Fall bieten wir oft eine Alternative und versuchen so die Leistungen zu übernehmen, die sich der/die Betroffene von der IV gewünscht hätte. Manchmal geht es nur darum, ein Lastwagen- oder Busführerschein zu finanzieren. Als privater Versicherer können wir so eine Umschulung an Stelle eines Rechtsstreites direkt finanzieren.

Welche Vorteile hat dieses Case Management für Personen, die sich in der IV-Wiedereingliederung befinden? 

Wir können relativ rasch handeln und lösungsorientierte Massnahmen realisieren. Schliesslich geht es darum, die Personen so schnell und gut wie möglich wieder im ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Wenn dies durch einfache Finanzierungen und ohne Rechtsstreit geschieht, ist das Ziel des Case Managements erreicht. Als Case Manager versuche ich dann die zuständige kantonale IV-Stelle während oder auch erst nach erfolgreicher beruflichen Wiedereingliederung in die Pflicht zu nehmen. So werden die Kosten oft nachträglich übernommen ohne dass der Betroffene durch die langen Wartefristen von Abklärungen und Entscheidungen seitens IV auf das Abstellgleis gestellt wird. 

Diese Beispiele zeigen wunderbare Lösungswege für bei der Coop Rechtsschutz versicherte Betroffene auf. Entzieht sich die staatliche Invalidenversicherung da ihrer Verantwortung als Versicherung oder kommt sie auch noch ins Spiel? 

Die IV ist nach einer erfolgreichen beruflichen Wiedereingliederung nicht einfach fein raus. Wenn der Fall noch offen ist, dann bitte ich als Case Manager zum Beispiel auch definitive Entscheide abzuwarten, bis die berufliche Wiedereingliederung gelungen ist. Nach der geglückten Eingliederung suche ich dann mit der IV das Gespräch und sorge dafür, dass die notwendigen Beiträge geleistet werden, nachdem wir die Vorleistungen von unserer Seite geleistet wurden.

Was geschieht, wenn die IV zum Beispiel die Kosten einer Umschulung nicht übernimmt? 

In solch einem Fall bleiben die Kosten bei der Coop Rechtsschutzversicherung haften. Das ist dann aber auch nicht weiter schlimm, denn wir haben dann wenigstens einer betroffenen Person in einer schwierigen Lebenssituation helfen können und dafür gesorgt, dass sie im ersten Arbeitsmarkt Fuss fassen kann. Von unserer Seite ist dieser Ansatz auch präventiv. Einmal im ersten Arbeitsmarkt drin, wenden sich Versicherte nicht gleich mit dem nächsten Problem an uns. Ganz davon abgesehen, dass in vielen solchen Fällen oft keine Kosten für einen unweigerlichen Rechtsstreit entstehen. 

Wie erleben Sie als Case Manager die Zusammenarbeit mit der IV als Behörde? 

Klar gibt es Unterschiede zwischen den jeweiligen IV-Berater*innen. Grundsätzlich erleben wir die Zusammenarbeit aber als sehr wohlwollend. Ich schätze, dass 80% aller Fälle problemlos in der Massenverwaltung der IV ablaufen. Dann gibt es aber schwierigere Fälle, vor allem mit Mehrfachproblematiken wie komplexeren Krankheitsbildern und/oder zusätzlichen psychosozialen Belastungsfaktoren. Da wird das System der IV extrem gefordert und ihre teilweise rigiden Prozessorientierung überfordert. Für diese anspruchsvolleren Fälle wäre mehr Flexibilität und Agilität im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen wünschenswert. 

Welche kantonalen Unterschiede erleben Sie in der Zusammenarbeit mit den IV-Stellen? 

Es gibt solche Stimmen, die die Zusammenarbeit mit gewissen kantonalen IV-Stellen als schwieriger empfinden. Ich möchte bei diesem Thema nicht pauschalisieren. Meiner Meinung nach liegen die grösseren Unterschiede in der Zusammenarbeit mit den jeweiligen unterschiedlichen Sachbearbeitenden.

Können Sie uns mehr davon erzählen, wie sich diese Unterschiede der persönlichen Sachbearbeiter*innen bemerkbar machen? 

Ich hatte schon Fälle in der beruflichen Wiedereingliederung, wobei ein Anspruch auf eine berufliche Umschulung geklärt werden sollte und da ist sechs Monate einfach nichts entschieden worden. Während dieser Zeit gab es viele Diskussionen und der eigentliche klare Anspruch auf eine Umschulung wurde nicht gutgesprochen. Danach wurde der Fall an eine*n andere*n Sachbearbeiter*in übergeben. Die für den Fall zuständige Person war völlig überrascht und ihr war sofort klar, dass ein Umschulungsanspruch besteht. Das war kein Einzelfall.

Thomas Bauer von Travail.Suisse hat mir im letzten Interview von fragwürdigen Gutachten erzählt. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht? 

Es gibt manchmal Gutachten, die sind so geschrieben, dass man den Eindruck hat, dass man den Gesundheitszustand der betroffenen Person gar nicht wirklich abklären will. Als wollten sie gar nicht wissen, was Sache ist. Da werden zum Beispiel die Ärzte nicht kontaktiert, welche die betroffene Person seit Jahren begleiten, obwohl diese Zusatzinformationen wichtig und nur einen Telefonanruf entfernt wären. Oder es werden zum Beispiel Arbeitsversuche unternommen, von denen viele wichtige Einschränkungen bezogen auf die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen sichtbar werden. In den Gutachten werden diese Ergebnisse oft einfach nicht berücksichtigt. Für Betroffene sind solche Gutachten und die darauf folgenden Entscheidungen der IV dann kaum nachvollziehbar.

Mehr dazu aus der Artikelreihe zur Invalidenversicherung: 

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